Ein Tag im Leben einer Hochzeitssängerin
Tag der Hochzeit. Der Wecker klingelt. Ab unter die Dusche und dabei die Songs für den heutigen Tag trällern – danach erstmal Augenpads drauf und Haare fönen & stylen. Ipad (was am Vortag schon geladen wurde) nochmal checken, ob alle Playbacks und Texte drauf sind und es voll aufgeladen ist.
Dann erstmal eine Runde mit dem Hund raus 😊 Frische Luft schnappen und mental auf den Auftritt vorbereiten. (ich weiß nicht, ob es am Hund oder am Alter liegt, aber seit diesem Jahr (2023) bin ich deutlich entspannter (so allgemein)). Wieder zu Hause angekommen – Zeit für Make-up und ein schönes Outfit (meist passend zum Dekokonzept) raussuchen. Dann bei googlemaps schonmal die Strecke auf mögliche Staus checken. Frühstücken und Verpflegung (Tee, Snacks) zubereiten/einpacken.
Checken, ob noch genug Ipalat (komme ich später drauf zurück) und Visitenkarten da sind.
Ein Insta-Selfie 😊
Musikanlage und sonstiges Equipment (u. a. 2 Mikrofone (eins als Backup)) aus dem Keller holen und ins Auto hieven. Zweite, akkubetriebene Anlage dazu packen (sicher ist sicher, man weiß ja nie). Kind noch bei der Oma abgeben und dann kann es los gehen. Im Auto schmeiße ich meine Spotifyplaylist an und singe mich ein, trinke noch eine Schluck Tee und werfe meinen obligatorischen Ipalat-Drops ein (das ist so ein Ritual und muss immer dabei sein).
Je nach Örtlichkeit komme ich dann eine Stunde vor der Trauung an, lade mein Equipment aus und schaue wo ich mich am besten platziere (falls nicht vorab schon abgesprochen). In Kirchen mache ich es von der jeweiligen Akustik abhängig wo ich aufbaue, denn manche Kirchen sind sehr schwierig was die akustischen Verhältnisse angeht. Im Freien hat man manchmal das Problem, dass alles sehr weitläufig aufgebaut ist und die letzten Gäste gefühlt 100m weit weg sitzen oder bei windigen Wetterverhältnissen ist es auch nicht einfach. Aber genau dafür bin ich immer früh genug da und kann schauen, welche Position am optimalsten ist.
Nach dem Aufbau folgt ein Soundcheck (und wenn genug Zeit ist und noch keine Gäste da sind, baue ich mein Stativ auf, die Kamera und filme den Soundcheck mit für Social Media) und die Absprache mit Küster:in/Organist:in/Pastor:innen/Redner:innen/Fotograf:innen und anderen Mitwirkenden. Nach so vielen Jahren in der Branche ist es oft so, dass man viele Hochzeitsdienstleister aus NRW schon kennt und ich freue mich jedes Mal wieder bekannte Gesichter zu sehen. Und irgendwie fühlt sich dann schon alles viel vertrauter an und es geht vieles Hand in Hand. (das ist auch der Grund, warum ich immer gerne Kolleg:innen, vor allem Hochzeitsredner:innen, Fotograf:innen und Videograf:innen aus der Hochzeitsbranche an meine Brautpaare empfehle).
Der Bräutigam trifft ein und wird erstmal herzlich von mir begrüßt und damit vertraut gemacht, dass bereits alles abgeklärt ist und der Soundcheck schon erfolgt ist. Als Brautpaar ist man an dem Tag nervös genug, wenn man dann merkt, dass die gebuchten Dienstleister alles im Griff haben, fällt schon einiges ab. Das merke ich immer wieder.
Gibt es vorab irgendwelche Herausforderungen oder Probleme versuche ich die meist alleine oder mit Hilfe anderer Beteiligten zu lösen, damit dem Brautpaar das auch schon abgenommen ist. Es kommt ganz oft vor, dass jemand nicht zur Stelle ist/fehlt, der Strom nicht funktioniert oder andere Dinge. Durch meine jahrelange Erfahrung als Hochzeitssängerin, kann ich da oft im Vorfeld schon helfen. Manchmal springe ich sogar als Glöckner:in, Organist:in oder Küster:in ein oder zupfe noch mal hier und da. Ist alles schon vorgekommen :))
Dann kommt meistens der Zeitpunkt, wo ich noch ein wenig für Social Media die Hochzeitsdekoration abfilme/fotografiere, um zu zeigen, wie man die Hochzeit gestalten kann.
Hier mal ein paar Beispiele:
- In den Kirchen liegen meist Taschentücher für Freudentränen
- das Kirchenheft (in dem die Liedtexte und der Ablauf abgedruckt sind, sowie die Beteiligten namentlich erwähnt sind. Manche legen auch gleich einen Tagesablauf bei)
- Seifenblasen für den Auszug (Thema Seifenblasen zum Auszug komme ich später noch drauf zu sprechen).
- Bei freien Trauungen (die ja meist im Sommer stattfinden) liegen zusätzlich noch Fächer oder Weddingwands (kleine Stäbe mit Bändern und Glöckchen dran, die zum Auszug gewedelt werden) und oft auch gekühlte Getränke.
- Viele Paare (ob zu standesamtlichen, kirchlichen oder freien Trauungen) lassen eine personalisierte Hochzeitskerze anfertigen, die dann während der Zeremonie entzündet wird. Hierzu gibt es eine tolle Lesung „Die Hochzeitskerze spricht“, welche von nahen Angehörigen vorgelesen werden kann.
- Zudem bringen viele Brautpaare eigene Ringkissen, Ringschachteln oder Ähnliches mit, oft passend zum Dekokonzept.
- Zur Gestaltung des Einzugweges gibt es auch viele Varianten. Von Kerzen, über Blumen, Trockenblumen bis hin zu Luftballons gibt es zahlreiche Möglichkeiten den Weg der Braut (oder des Brautpaares) ansprechend zu gestalten.
- Ein Willkommensschild stellen ebenfalls viele auf, um die Gäste direkt herzlich willkommen zu heißen.
Nachdem ich ein paar Storys abgedreht habe, komme ich noch ein paar Minuten zur Ruhe und warte auf meinen Einsatz. Manchmal warte ich vorher noch auf die Braut, um sie zu begrüßen und Bescheid zu geben, dass alles bereit ist und sie den Einzug genießen und so langsam wie möglich gehen soll.
Dann erklingt (in der Kirche) die Glocke, alle Gäste erheben sich. Mein Puls steigt, ich drücke auf Play oder gebe dem Musiker ein Zeichen – dann sind die ersten Klaviertöne zu hören. Die Braut betritt die Kirche ihn ihrem wunderschönen Kleid, sie macht ihre ersten, langsamen Schritte, Blicke von Braut und Bräutigam treffen sich, ich entdecke die ersten feuchten Augen bei den Gästen und dann beginnt der Gesang…Gänsehautmoment.
Für mich persönlich der schönste Moment der Trauung (neben dem Eheversprechen). Der Einzug der Braut. Die Atmosphäre sprüht nur so vor Aufregung, Liebe, Emotionalität und wenn dann der passende Song dazu läuft – perfekt.
Wenn die Braut angekommen ist, die beiden sich in die Arme geschlossen haben und dann noch einen dankbaren Blick zu mir werfen, weil das Lied noch 1-2 Minuten weiter geht spüre ich das Adrenalin und die Freude in mir aufsteigen.
Das Lied ist vorbei, die Zeremonie beginnt, ich setze mich wieder hin und mir entweicht ein leiser Seufzer – geschafft. Das ist für mich meist der schwerste Song, danach legt sich meine Aufregung ein Stück weit und ich freue mich auf die nächsten Lieder.
In der Zwischenzeit folge ich aufmerksam der Predigt / Rede und freue mich, etwas mehr über mein Brautpaar zu erfahren, als das was im Vorfeld schon besprochen wurde.
Dann wird es wieder spannend. Es kommt zum Eheversprechen / Ja-Wort und ich weiß…gleich kommt mein nächster Einsatz, oft der Lieblingssong des Paares. Natürlich genau nach der emotionalsten Stelle, an der ich selbst oft Schlucken muss. Aber dann bin ich direkt wieder fokussiert und konzentriert und lege alle Emotionalität in den Song, den die beiden wahrscheinlich noch lange in Erinnerung behalten werden. Wenn ich dann während des Songs bemerke, wie der ein oder andere zum Taschentuch greift und anschließend ein Applaus die Kirche durchdringt oder mir ein von Dank erfülltes Nicken/Lächeln vom Brautpaar entgegen weht, gehe ich beseelt wieder auf meinen Platz und freue mich auf den Auszugssong.
Wenn die Zeremonie sich dem Ende neigt und die Anspannung von allen abgefallen ist, die Gäste sich auf die ersten Kaltgetränke und das Essen/die Party freuen, dann ist es Zeit für ein Lied, das dem ganzen den ersten Push gibt. Ein fröhlicher Uptemposong, bei dem man gerne auch schonmal Mitklatschen darf oder beschwingt tänzelnd die Kirche oder den Platz der freien Trauung verlässt.
Das Brautpaar wird im Anschluss von den Gästen empfangen. Und hier komme ich nochmal auf die süßen Seifenblasen zurück. Gar keine Frage, es ist sicherlich für Paar und Fotografen ein Highlight im Seifenblasenregen zu stehen, ABER es gibt da 2 große Mankos. Zum einen: es klatscht niemand....es ist einfach still, keiner schaut das Brautpaar an, alle versuchen nur, ihre Seifenblasen zu pusten. Dann gibt es durchaus Kleidung, die es nicht verträgt, wenn Seifenblasen darauf landen. Als Alternative gibt es eine Seifenblasenmaschine. So kann beides vereint werden.
Ähnlich ist es mit den Weddingwands. Ja, eine schöne Idee und gute Alternative zu Reis-, Konfetti- und Blumenwerfen, aber es klatscht ebenfalls keiner. Das Brautpaar wird mit leisem Rascheln und ein paar Glöckchen begrüßt. Das muss man mögen...ich persönlich mag einen kräftigen Applaus und strahlende Gesichter lieber.
Das größte Geschenk an so einem Tag ist, wenn das Brautpaar mir am Ende, wenn ich zur Gratulation auf sie zu komme, freudestrahlend in die Arme fällt und sich mit einem „es hätte nicht perfekter sein können“ bei mir bedankt, Gäste mir ein Daumen hoch zu werfen oder nach Visitenkarten fragen.
Mit einem Grinsen auf den Wangen baue ich ab, bringe mein Equipment ins Auto und fahre beseelt nach Hause oder zur Location, um Brautpaar und Gäste zum Sektempfang musikalisch zu begleiten.
Natürlich ist das nur ein allgemeines Beispiel. Manchmal läuft es auch ganz anders ab, manchmal soll auch schon vor der Zeremonie Musik erklingen oder beim First Look. Das sind dann individuelle Absprachen, die im Vorfeld abgeklärt und festgelegt werden.
Zu Hause angekommen, lade ich mein Equipment wieder aus, schmeiße mich in meinen Jogger und genieße den Feierabend, der daraus besteht die Aufnahmen von der Hochzeit anzuschauen und daraus Hörproben oder Reels zu basteln, um sie auf den Social Media Kanälen zu posten oder sie als Demo auf meine Webseite zu stellen.
Wenn am Tag drauf noch eine Hochzeit stattfindet checke ich nochmal alle Punkte, lade ggf. die Akkubox oder optimiere noch den ein oder anderen Song.
Dann ist wirklich Feierabend und ich freue mich mental schon auf die nächste Trauung.
01.01.2024, Blogbeitrag Nr. 1 (Fotos by Vanessa Holz Fotografie)